Instant Messenger und passende Programme

Zunächst ein paar Worte vorweg. Ich habe länger nichts mehr von mir hören lassen, gab auch eigentlich nichts, worüber es sich zu bloggen gelohnt hätte. Vor ein paar Wochen hatte ich diesen Artikel über Instant Messenger angefangen, weil es mir immer schonmal unter den Nägeln brannte, darüber ausführlich zu schreiben. Nun habe ich ihn über die Ostertage zuende bringen können. Also bitte, hier ist er :-).

Zunächst kommen hier übrigens die einzelnen Netzwerke, und dann die Programme, mit denen auf diese zugegriffen werden kann. Ich hoffe, es hilft vielleicht noch dem einen oder anderen, der bisher nur ICQ oder MSN kannte, und der sich keine Gedanken um das Drum und Dran gemacht hat. Und ganz vielleicht finden erfahrene Nutzer auch noch was interessantes in dem Artikel.

ICQ:

  • Hintergrundinformationen: Der wohl bekannteste und auch meist genutzte Dienst ist ICQ, der das OSCAR-Protokoll nutzt und somit kompatible zum AIM (AOL Instant Messenger) ist. Entwickelt wurde ICQ durch das israelische Unternehmen Mirabilis 1996, das schon 1998 von AOL gekauft wurde. Im April 2010 wurde ICQ an die Mail.ru-Group verkauft, einem Investment-Unternehmen aus Russland.
  • Benutzeridentifizierung: Ein Benutzer im ICQ-System wird durch eine UIN eindeutig identifiziert, eine min. fünfstellige Nummer.
  • Vorteile: Eine riesige, weltweite Nutzergemeinde; mehr als 470 Millionen registrierte Nutzer.
  • Nachteile: Sehr viel Spam, früher über einfache Nachrichten, heute über Kontaktanfragen. Auch die angegebene Anzahl an registrierten Nutzern ist Augenwischerei. Man hat keine Möglichkeit, seinen Account zu löschen, auch kann jeder prinzipiell so viele Account anlegen, wie er möchte. Außerdem ist es nicht möglich, mit Benutzern anderer Systeme außer AIM zu kommunizieren.
  • Zugehörige Software: Aktuell ist die Version 7.4. Sie verbindet sich neben ICQ noch mit Twitter und Facebook. Daneben gibt es noch ICQ2Go, einem offiziellen Java-Applet mit deutlich geringerem Funktionsumfang.
  • Zusätzliche Funktionen: IP-Telefonie, Video-Chat, Multi-User-Chats, Datenübertragung, verschiedene Spiele, SMS.
  • Kritikpunkte: Der Datenschutz ist bei ICQ nicht eindeutig. Zum einen wird darauf verwiesen, dass das Eigentumsrecht an allem gesendeten Material durch das Senden aufgegeben wird und ICQ Inc. berechtigt ist, nach eigenem Ermessen alles gesammelte Material zu benutzen, so wie es ihnen beliebt. An einem anderen Punkt steht aber, dass Informationen nicht an Dritte weitergegeben werden, außer sie werden in einem öffentlichen Raum veröffentlicht. Es ist also nicht klar, wie es um den Inhalt von IM-Nachrichten bestellt ist.

Mehr zu ICQ in den Wikipediaartikeln ICQ und OSCAR.

Windows Live Messenger:

  • Hintergrundinformationen: Der Windows Live Messenger (WLM) ist Nachfolger des MSN Messengers, einem IM-System von Microsoft.
  • Benutzeridentifikation: Ein Benutzer wird über seine Windows Live ID (früher .NET Passport) identifiziert, die auch Zugang zu vielen Diensten bietet, u.a. Hotmail.
  • Vorteile: Durch die Windows Live ID als Singe Sign-On-System hat man mit einer Zugangs-ID Zugriff über 100 verschiedene Dienste. Außerdem ist eine Kommunikation mit Benutzern des Yahoo-Messenger (Y!M) direkt möglich. Mehr als 300 Millionen Nutzer weltweit plus 4,65 Millionen europäische Nutzer des Y!M (eine weltweite Statistik zum Y!M habe ich nicht gefunden).
  • Nachteile: Alternative Clients werden momentan nur geduldet. Ob das in Zukunft so bleibt ist ungewiss. Und auch die geduldeten Clients müssen von Microsoft lizenziert sein, sonst widerspricht die Nutzung dem Endbenutzer-Linzenzvertrag. Außerdem ist die Nutzergruppe geschlossen, Kommunikation außer mit Benutzern des Yahoo-Messenger ist nicht möglich.
  • Zugehörige Software: Es werden verschiedene Versionen offiziell angeboten, für Mobiltelefone, Mac, Win XP und die Hauptversion für Win Vista und Win 7. Auch gibt es einen Webmessenger, der das Chatten ohne Installation eines Clients erlaubt und mit jedem Browser aufgerufen werden kann.
  • Zusätzliche Funktionen: IP-Telefonie, Video-Chat, Multi-User-Chats, Datenübertragung, Spiele.
  • Kritikpunkte: Wie auch bei ICQ behält sich Microsoft das Recht vor, alle Nachrichten mitzulesen. In den MSN-Servern sind Linkzensurfilter eingebaut, die Links zu potenziell gefährlichen Seiten automatisch blockieren. Welche Maßstäbe Microsoft dabei ansetzt, ist nicht bekannt.

Mehr zum WLM in den Wikipediaartikeln WLM und Windows Live ID.

Yahoo Messenger:

  • Hintergrundinformationen: Y!M ist das IM.Protokoll und das zugehörige Programm von Yahoo, dass mit einem Yahoo-Zugang genutzt werden kann.
  • Benutzeridentifikation: Die Yahoo-E-Mail-Adresse dient als ID.
  • Vorteile: Durch die Kooperation mit Microsoft ist die Kommunikation mit über 300 Millionen WLM-Nutzern möglich. Wer eine Yahoo-E-Mail-Adresse hat, braucht sich nicht bei einem weiteren Dienst für IM zu registrieren.
  • Nachteile: Die Nutzergruppe selbst ist relativ überschaubar, 4,65 Millionen europäische Nutzer. Auch ist nur eine Kooperation mit Microsoft und dem WLM umgesetzt, mit anderen Systemen ist der Y!M inkompatibel.
  • Zugehörige Software: Es gibt neben dem Windows-Client in Version 10 noch weitere Versionen für iPhone, Android und Blackberry sowie Webversionen für PC– und Mobil-Browser.
  • Zusätzliche Funktionen: Videochat, IP-Telefonie, Multi-User-Chats, Datenübertragung, Newsscreen mit Aktivitäten von Freunden auf Yahoo!, Flickr, Twitter und anderen Seiten.
  • Kritikpunkte: Auch Yahoo behält sich vor, die in geschlossenen Bereichen (was Chats mit Freunden i.d.R. sind) veröffentlichten Informationen ohne Rückfrage zu benutzen.

Mehr zum Y!M im Wikipediaartiekl.

XMPP:

  • Hintergrundinformationen: XMPP wurde 1998 und 99 von Jeremie Miller entwickelt und unter dem Namen Jabber veröffentlich. Er wollte damit ein Echtzeit-XML-Streaming-Protokoll erschaffen. 2004 wurde es von der IETF mit einigen Änderungen als offizieller Standard unter dem Namen XMPP veröffentlicht. Seit dem ist die XSF (XMPP Standards Foundation) für die Weiterentwicklung und aufbauende Protokolle zuständig. Die Dokumentation ist öffentlich und kann von jedem aktiv weiter entwickelt und kostenlos genutzt werden.
  • Benutzeridentifikation: Die JIDs (Jabber Identifier) sind aufgebaut wie E-Mail-Adressen, also z.B. “alice@example.com/home”. Der Teil hinter dem @ gibt den Server an, auf dem der Nutzer (hier “alice”) registriert ist, hinter dem “/” steht die Ressource.
    Viele Nutzer haben schon eine JID, denn einige Unternehmen bieten neben ihrem Kerngeschäft auch Messenger-Programme an. So beispielsweise die Unternehmen von United Internet (1&1, gmx, web.de), mit deren Zugängen man auch XMPP nutzen kann.
  • Vorteile: Es ist möglich, sich mit einer JID mehrmals einzuloggen. Über den Ressourceneintrag bei der Verbindung werden die verschiedenen Logins getrennt. Jeder Ressource kann dabei eine Priorität zugeordnet werden. Dadurch kommen Nachrichten automatisch bei der Ressource mit der höchsten Priorität an. Hat man z.B. zwei Ressourcen “office” und “home” mit den Prioritäten 2 und 1, so kommen so lange alle Nachrichten bei “home” an, so lange “office” offline ist. Sobald sich “office” anmeldet, werden die Nachrichten an diese Ressource geschickt, auch wenn “home” noch online ist.
    Weiterhin können alle XMPP-Nutzer miteinander kommunizieren, unabhängig vom benutzten Anbieter. Es gibt nur wenige Anbieter, die dieses unterbinden, vorneweg Facebook und die VZ-Netzwerke.
    Kommunikation mit anderen Netzwerken wie ICQ, WLM, Y!M usw. wird über Transports realisiert. Dazu muss zum einen der gewählte XMPP-Anbieter diese Transports unterstützen, und der Nutzer muss für alle Transports, die er nutzen möchte, auch die passenden Benutzerkennungen haben. Ein Transport nach ICQ funktioniert also nur, wenn man eine ICQ-Nummer hat.
  • Nachteile: Durch die offene Struktur ist lediglich sichergestellt, dass zwischen allen XMPP-Nutzern die Text-Kommunikation funktioniert. Alles andere hängt von den unterstützten Funktionen der Anbieter und der Clientprogramme ab.
    Zwar haben viele Nutzer schon eine JID, aber sie wissen es nicht. Und da die Nutzergemeinden von ICQ und MSN so riesig ist, wechselt kaum einer zu XMPP oder zieht es als Alternative in Betracht (“Meine Freunde sind alle bei ICQ, was soll ich da mit was anderem?”).
  • Zugehörige Software: Es gibt keine Software, die direkt zum XMPP-Standard gehört, da es auch keinen Anbieter gibt, dem das Protokoll gehört. Es gibt aber eine Menge von Programmen für alle Betriebssysteme, die sich im Umfang der unterstützten Funktionen sehr unterscheiden. Wikipedia enthält eine Liste von Programmen, die nur XMPP unterstützen.
  • Kritik: Sucht man nach Kritik in Verbindung mit XMPP findet sich nichts. Wenn überhaupt wird Kritik an einzelnen Anbietern geübt, wie z.B. zur restriktiven Politik Facebooks gegenüber anderen XMPP-Anbietern oder Datenschutzbedenken bei Facebook und Google (googletalk). Aber durch die offene Struktur kann man schnell zu einem anderen Anbieter wechseln, ohne den Kontakt zu seinen “Buddies” zu verlieren.
  • Zusätziche Funktionen: Einige Funktionen neben Kurzmitteilungen, die von manchen Anbietern unterstützt werden sind: Chat, Gruppenchat, Dateiversand, Statusanzeige, Datenverschlüsselung, diverse Transporte, RSS-Feeds empfangen und verwalten, E-Mail-Empfangbenachrichtung, E-Mails empfangen und versenden, SMS u.v.m.

Mehr zu XMPP im Wikipediaartikel, auf Yet another Jabber FAQ, bei den Ubuntuusern und deshalbfrei.org. Eine Liste von Anbietern gibt es bei jabberes.org.

 

Programme:

Nachdem ich nun ein paar Protokolle mit den dazugehörigen Clientprogrammen vorgestellt habe, möchte ich noch einige weitere Programme auflisten und kurz beschrieben, dabei wird mein Hauptaugenmerk auf Multi-Protokoll-Clients (MPC) liegen.

Digsby:

Digsby ist ein MPC, der unter anderem ICQ, WLM, Y!M und XMPP sowie Facebook, MySpace, Twitter und E-Mail-Abfrage unterstützt. Alle Accountdaten werden auf den Servern des Herstellers gespeichert und der Login in die Software geschieht mit einem eigenen Benutzernamen + Passwort. Bei der Installation werden mehrere Programme und Toolbars zur Mitinstallation angeboten, die beim schnellen durchklicken der Installation direkt mit auf der Platte landen. Eine genauer Blick auf die ganzen Optionen bei der Installation ist also wichtig. Auch gibt es in den Einstellungen eine Option, die es Digsby erlaubt, zusätzliche Rechenzeit auf dem eigenen PC zu verwenden, die nicht vom Programm für seine normalen Aufgaben benötigt wird. Standardmäßig ist diese Option aktiv. Digsby gibt es bisher nur für Windows, Linux und Apple sollen demnächst kommen.

Miranda IM:

Miranda IM ist quasi eine Hülle, die durch eine riesige Auswahl an Plugins an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden kann. Es gibt für quasi alle IM-Protokolle die passenden Plugins, das Aussehen kann in jede erdenkliche Richtung entwickelt werden. Es gibt eine Reihe von vorgefertigten Paketen, die sich in Aussehen und integrierten Plugins unterscheiden. Miranda IM benötigt einige Einarbeitungszeit, bis es so aussieht und das tut, was man gerne hätte.
Es gibt drei Versionen, stable, beta und alpha. Die Software ist für Windows programmiert, es gibt keine Portierung auf andere Systeme. Doch die Entwickler bezeichnen die Standardinstallation unter Wine als nutzbar.

 

Pidgin:

Ähnlich wie Miranda IM ist Pidgin über viele Plugins erweiter- und individualisierbar. Es kommt aber aus einer anderen Richtung, wurde zunächst für Unix-ähnliche Systeme wie Linux und BSD entwickelt und erst später z.B. auf Windows portiert. Den Kern von Pidgin bildet die Bibliothek libpurple, die auch von einigen anderen Programmen benutzt wird wie z.B. Adium für Mac OS X.

QIP:

QIP ist eine Freeware, die als Alternative zu ICQ und AIM begann. Ziel war ist und ist es, ohne Werbung und überladenem Aussehen daher zukommen. Momentan gibt es drei Entwicklungsstränge, QIP 2005 und die Ablösung 2010 sowie Infium. 2005 unterstützt ausschließlich ICQ, keine Plugins. Infium unterstützt neben ICQ auch IRC und XMPP, Plugins, verschlüsselte History und einiges mehr. 2010 baut auf Infium auf, hat aber ein paar Einschränkungen, die 2005-Usern den Umstieg erleichtern sollen. 2010 soll sich langsam an Infium angleichen. Für Infium und 2010 benötigt man einen @qip.ru-Account.

Trillian:

Der nach der Romanfigur Tircia McMillan (Trillian) aus Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams benannte MPC bietet ähnlich wie Digsby das Speichern aller Logindaten unter einem Benutzernamen und zentral auf den Servern des Herstellers Cerulean Studios. Das Programm lässt sich über Plugins und Skins erweitern und den eigenen Vorstellungen anpassen. Finanziert wird das Programm über Werbung und durch eine Pro-Version, die von Cerulean angeboten wird. Außerdem findet sich unter trillian.im ein Webmessenger, mit dem man ohne Installation chatten kann.

Eine gute Übersicht über MPC findet man im Wikipediaartikel, der die Programme anhand von einigen Merkmalen wie Funktionsumfang, unterstützte Protokolle, Betriebssysteme gegenüberstellt.

Skype:

Als letztes möchte ich noch auf Skype eingehen. Die große Stärke von Skype ist die Sprachkommunikation. Sie ist kostenlos zwischen Skypebenutzern und günstig in Fest- und Mobilnetz. Daneben erlaubt es Textkommunikation sowie Dateiübertragung. Die Übertragung der Daten erfolgt dabei komplett verschlüsselt. Das und der Fakt, dass das Protokoll unter Verschluss gehalten wird, verhindern, dass es alternative Clients gibt, die auf das Skypenetzwerk zugreifen können. Lediglich über eine Schnittstelle können andere Programme auf das laufende Skype zugreifen und dessen Funktionen benutzen. Mit Skype kann man sich nicht zu anderen Netzwerken verbinden.

 

Zum Abschluss noch ein paar Bemerkungen:

  • Wahrscheinlich ist euch aufgefallen, dass ich eine klare Präferenz für XMPP/Jabber und freier Software habe. Bitte seht mir das nach. Es ist einfach so, dass man über Dinge, die einem eher zusagen, besser schreiben kann.
  • Außerdem habe ich versucht, etwas mehr Bilder/Grafiken zu finden, um die wall of text ein weing zu durchbrechen, aber nach meiner Suche habe ich keine schönen Sachen gefunden, die nicht unter einer restriktiven Lizenz stehen. Deshalb gibt es nur die drei Grafiken. Alle drei sind aus der Wikimedia. Der Smilie am Anfang ist gemeinfrei, die Jabber-Grafik ist von der Jabber Software Foundation und der Pidgin-Schriftzug mit Taube ist von Joel Yoder. Die genauen Lizenzen finden sich beim Klick auf die beiden Grafiken.
  • Ich habe bewusst einige Dienste und Programme weggelassen, weil diese entweder zu klein sind mit einem zu begrenzten Nutzerkreis (z.B. Gadu-Gadu, dass quasi nur in Polen genutzt wird), oder für nichtzahlende Kunden zu große Einschränkungen machen (AIM, kein Zugriff auf sehr viele öffentliche Chaträume etc.).